Rubine sind doch etwas Faszinierendes. Sie sehen hübsch aus, sie sind wertvoll, man kann sie gegen praktische Dinge eintauschen… aber ich glaube, wir müssen mal ausführlich reden.
Herzlich Willkommen, schön dass ihr reinschaut und es gibt einen neuen Nintendo-Stern am mobilen Gaming-Himmel. Denn mit Mario Kart Tour ist am 25. September 2019 der erste Teil der beliebten Fun-Racer-Reihe für mobile Endgeräte erschienen. Ab sofort dürfen wir uns auch auf iOS und Android die roten Panzer und Bananenschalen um die Ohren werfen. Und das ganze komplett kostenlos. Naja, sozusagen…
Dieses Review besteht quasi aus zwei Teilen. Am Anfang werde ich auf das Gameplay und das Spielspaßpotential eingehen und ob ein Titel wie Mario Kart auch auf dem kleinen Smartphone-Bildschirm Spaß machen kann. Mit all seinen Potentialen und Herausforderungen. Und wenn wir das abgehakt haben, sprechen wir über das Finanzierungsmodell des Spiels und Nintendos Mobile-Strategie im Allgemeinen, die mich mit ein paar Fragezeichen sowie einigen Sorgenfalten zurücklässt. Aber tauchen wir zuerst in die bunte Welt des Pilzkönigreichs ein.
Mario Kart Tour kann für iOs und Android in den jeweiligen App-Stores heruntergeladen werden und ist grundsätzlich kostenlos. Das klassische Free-to-Play-Modell eben, mit den üblichen Einschränkungen, auf die wir später noch näher eingehen werden. Und der Vollständigkeit halber muss ich dazu sagen, dass ich kein besonders großer Fan von Spielen auf dem Smartphone oder Tablet bin. Es mag daran liegen, dass ich von Anfang an ein klassisches Konsolenkind war und es seit jeher zu schätzen weiß, ein richtiges Gamepad in der Hand zu halten und vor einem vernünftigen Bildschirm zu sitzen. Dieses Spielgefühl wird mir kein Mobile Game geben können. Dennoch kann ich der Versuchung nicht ganz widerstehen, den einen oder anderen Titel aus dem Store zu saugen und in einer ruhigen Minute anzutesten. Stundenlang versinken werde ich in diesem Spielemodell aber wahrscheinlich nie. Aber was soll ich sagen: Ich bin positiv überrascht.
Vielleicht liegt es daran, dass meine Erwartungshaltung recht niedrig war. Vielleicht liegt es daran, dass ich langsam alt werde und total beeindruckt bin, was auf einem Smartphone, diesem kleinen flachen Ding, das überall mit hingenommen werden kann, heutzutage technisch alles möglich ist. Aber lange Rede, kurzer Sinn: Mario Kart Tour sieht echt hübsch aus. Ja, die Partikeleffekte können nicht ansatzweise mit einem Mario Kart 8 mithalten. Wasserfälle werden z. B. durch Pappschilder ersetzt, die Zuschauer auf den Tribünen sind nur flache 2D-Sprites und auch alle anderen dynamischen Elemente sind mit relativ schwachen Texturen und wenig Tamtam ausgestattet. Die Grafik im Allgemeinen ist aber für einen mobilen Titel sehr hübsch anzusehen. Die Fahrer, die Items sowie die Gegenstände in unmittelbarer Streckennähe sind klasse ausmodelliert. Die Farben leuchten im Zusammenspiel mit dem Licht, sind kräftig und geben dem Ganzen den typisch quietschbunten Mario-Stil. Das Spiel kommt zwar in allen technischen Belangen nicht an seinen großen Bruder ran, aber ist wirklich sehr nett anzusehen.
Zum typischen Feeling gehören natürlich auch die legendären Strecken. Und diese scheinen nicht einfach nur kopiert und ein bisschen angepasst worden zu sein, sondern sind, so nehme ich es wahr, für Mario Kart Tour komplett neu gebaut/geremaked worden. Hier finden sich, in der Tradition der letzten Teile, sowohl neue Rundkurse, die uns in verschiedene Städte rund um den Globus entführen, als auch Klassiker aus den bisherigen Teilen der Serie. Als Mario Kart-Veteran findet man sich schnell zurecht und darf sich vor allem auch über Strecken freuen, die wir in den Vollpreistiteln schon länger nicht mehr gesehen haben. Hier wurde sich sichtlich Mühe gegeben und das ist doch mal ein erster beruhigender Zwischenstand.
Ein weiterer Punkt ist die Performance. Obwohl ich mit meinem Samsung Galaxy S7 Edge nicht das allerneuste Topmodell habe – aber sicher auch nicht das schlechteste – läuft die Software die ganze Zeit flüssig und butterweich über das Display und ich konnte zu keiner Zeit spürbare Einbrüche der Bildwiederholungsrate feststellen. Dies kann sich natürlich von Gerät zu Gerät unterscheiden, aber ich hatte in den knapp vier Stunden, die ich in das Spiel bislang investiert habe, ein sehr angenehmes Spielerlebnis. Obwohl ich nebenbei auch noch Gameplay aufgenommen habe.
Der Punkt, der vermutlich die größte Umgewöhnung darstellt, ist das Handling der Fahrzeuge. Wie Nintendo es bereits bei Super Mario Run umgesetzt hatte, wurde auch bei Mario Kart Tour die Steuerung simplifiziert und auf das mobile Spielen angepasst, so dass ihr die Boliden mit nur einer Hand steuern könnt. Damit das gelingt, geben die Fahrzeuge automatisch Gas und ihr müsst mit dem Daumen nur noch die Richtung des Fahrzeuges bestimmen und eure Items entsprechend einsetzen. Diese Idee fand ich im Vorfeld sehr ungewöhnlich und es fühlt sich am Anfang auch noch recht seltsam an, insbesondere, wenn man die Original-Steuerung gewöhnt ist, geht aber relativ zügig in Fleisch und Blut über. Es hat tatsächlich nicht lange gedauert, bis ich die ersten Erfolge einfahren konnte und meine Items auch dort eingesetzt habe, wo ich das wollte. In den ersten Spielstunden habe ich diese nämlich des öfteren aus Versehen rausgefeuert, als ich eigentlich lenken wollte. Alles in allem gewöhnt man sich also angenehm rasch an die Ein-Daumen-Steuerung. Ein großer Fan davon werde ich aber definitiv nicht. Ich vermisse meinen Controller.
Was ein wenig enttäuschend ist: Wir spielen aktuell ausschließlich gegen KI-gesteuerte Gegner. Dabei ist gerade das Spielen gegen menschliche Kontrahenten eine der großen Stärken der Mario Kart-Reihe und meines Erachtens ein absolutes Muss, auch in einer mobilen Version. Und das scheint DeNA – wie auch immer man sie richtig ausspricht – dem Entwickler, den Nintendo beauftragt hat das Spiel zu entwerfen, durchaus bewusst zu sein. Denn zu meiner Verwirrung gaukelt uns das Spiel am Anfang jeden Rennens vor, dass es echte Spieler ins Fahrerfeld lädt. Ein bisschen seltsam und ich möchte an dieser Stelle niemandem die Vortäuschung falscher Tatsachen unterstellen. Im besten Fall basieren die Fahrerfähigkeiten wenigstens auf den Skills tatsächlicher User, wie das z. B. Forza Horizon mit seinen Drivataren macht. Aber da stelle ich mal ein ganz großes Fragezeichen darüber.
Zumindest befindet sich im Hauptmenü des Spiels aber bereits ein Punkt namens “Multiplayer”, der aktuell aber noch ausgegraut ist. Hier wird also noch Inhalt nachgereicht.
Ansonsten finden wir in Mario Kart Tour zahlreiche Elemente, die wir so – oder zumindest so ähnlich – auch aus den großen Titeln kennen. Es gibt verschiedene Cups, die aus mehreren Einzelrennen bestehen, in denen wir Punkte für die jeweilige Meisterschaft sammeln. Umso bessere Ergebnisse wir einfahren, umso mehr Punkte sammeln wir, die wir wiederum für Belohnungen einlösen können.
Ich werde an dieser Stelle jetzt nicht noch tiefer in das Gameplay einsteigen und jeden noch so kleinen Unterschied zu den vollwertigen Titeln herausstellen. Obwohl sicher die kleinen Missionsaufgaben je Meisterschaft noch erwähnenswert wären oder auch die zahlreichen Items, die nach einer Pause wieder zurückgefunden haben. Wie gesagt: Nintendo hat sich sichtlich Mühe gegeben ein echtes Mario Kart für mobile Endgeräte zu erschaffen bzw. erschaffen zu lassen und das spürt man auch. Es gibt allerdings noch weitere Aspekte, die wir dringend ansprechen müssen und wir kommen somit zum zweiten Teil dieses Testberichts.
Und wie fange ich jetzt an, ohne komplett die Stimmung zu zerstören? Ich möchte so gerne alles mögen was Nintendo erschafft bzw. in Auftrag gibt. Aber es gibt Dinge, die einfach eine Grenze überschreiten. Entwicklungen, die mir ernsthafte Sorgenfalten auf die Stirn zaubern. Und ihr könnt die Sorgenfalten nicht sehen, aber sie sind da.
Ich weiß, Free to Play-Spiele finanzieren sich über Mikrotransaktionen. Das muss man nicht mögen, das muss aber auch nicht gernerell etwas Schlimmes sein. Ein Spiel kostenlos zu beginnen, es ausführlich zu testen und erst dann zu entscheiden, ob man Geld dafür ausgeben möchte, ist ja nicht das schlechteste Modell. Aber so einfach funktionieren die etablierten Free-to-Play-Modelle eben nicht und schon gar nicht in Mario Kart Tour.
Ein kurzer Rückblick: Das erste “große” Mobile Game von Nintendo war Super Mario Run im Jahr 2016. Nintendo hatte bereits seit Längerem kommuniziert, dass es seine bekannten Marken auch verstärkt in den mobilen Sektor transferieren möchte. Und das klingt auch erstmal toll. Mit Mario und eines Tages vielleicht auch mal Link oder Donkey Kong über das Smartphone zu hüpfen, ist ja nicht gerade die unattraktivste Vorstellung. Trotz all der Einschränkungen, die die mobile Technik einfach hat, aber als netter Spaß für zwischendurch herzlichst willkommen.
Und Nintendos Strategie war sympathisch, zumindest in den Augen eines eingefleischten Fanboys wie mir: Super Mario Run ist nämlich nicht “Free To Play”, inkl. der lästigen Mikrotransaktionen, sondern “Free to Start”. Das heißt, das Spiel kann kostenlos gestartet und ausprobiert werden und muss nach einer gewissen Nutzungsdauer für 10 € gekauft werden. Und dann ist das Spiel vollumfänglich und uneingeschränkt freigeschaltet. Keine zusätzlichen Kosten, keine eingeschränkten Inhalte. Klingt fair und war es meines Erachtens auch. Ein großer Teil der App-Store-Nutzer sah dies allerdings anders, überhäufte das Spiel mit negativen Bewertungen, die sich vor allem auf die Preisgestaltung niederließen und das Ergebnis dürfte unter dem Strich recht unbefriedigend für Nintendo gewesen sein. Und was macht man, wenn man merkt, dass ein Geschäftsmodell nicht gut genug angenommen wird und die Kunden regelrecht danach schreien, ihnen das Geld per Mikrotransaktion aus der Tasche zu ziehen: Man passt sein Geschäftsmodell an.
Ich will das Thema nun gar nicht weiter künstlich in die Länge ziehen, es war mir aber wichtig, dass wir einen Blick über den Tellerrand hinaus werfen, um uns bewusst zu machen, was zu der Situation geführt hat, die wir in Mario Kart Tour in seiner unangenehmsten Endform erleben dürfen: Nämlich lächerlich horende Preise für Ingame-Währungen, um damit an einem Glücksspiel teilzunehmen, dass die theoretische Chance erhöht an bessere Fahrer, Fahrzeuge oder Fahrzeugteile zu kommen. Und als wenn es nicht schon dreist genug wäre, reden wir nicht über kosmetische Gegenstände, die uns bzw. unseren Charakter einfach nur hübscher machen, sondern wir reden über tatsächliche Leistungsverbesserungen, die uns einen spürbaren Vorteil im Spiel verleihen. Und so kommen wir von “Free to Play” zu “Pay to Win”.
Und jetzt bin ich mittendrin im Strudel. Und ich höre sie schon sagen: “Du musst doch kein Geld ausgeben, niemand zwingt dich dazu. Du kannst auch alles kostenlos erspielen, es dauert halt nur länger.” Und ich gebe diesen Leuten sogar recht. Ich bin sogar selbst genau einer dieser Spieler, die den kostenlosen Teil des Spiels solange genießen, wie er zu genießen ist und nur in sehr seltenen und ausgewählten Fällen zur Kreditkarte greifen, um sich ein zusätzliches Ingame-Gimmick zu gönnen. Im Fall von Mario Kart Tour geht es aber nicht um hübsche Kleinigkeiten, die man sich zusätzlich gönnt, sondern es geht um eine systematische Ausnutzung des menschlichen Unterbewusstseins. Dem kontinuierlichen Triggern, dass es für dich doch viel angenehmer wird, wenn du jetzt endlich mal Echtgeld in die Hand nimmst, um deine Chance zu erhöhen, an einen coolen Gegenstand zu kommen. Oder noch besser: Du schließt einfach für 5,49 € im Monat ein Abo ab und machst dir das Leben noch mal leichter. Und ich werde an dieser Stelle jetzt nicht noch einmal die Rechnung aufmachen, wie viel Geld man ziemlich leicht und ziemlich schnell auf diese Art und Weise versenken kann, ohne einen vernünftigen Gegenwert dafür zu bekommen. Aber vielleicht bin ich auch der einzige auf diesem Planeten, der für sein Geld gerne eine richtige Gegenleistung hätte. Wie viele vollwertige Spiele bekommt man nochmal im Xbox Game Pass oder den anderen Abosystemen? Das sollte zum Nachdenken anregen.
Und ein wichtiger Punkt kommt noch hinzu: Ich bin überzeugt davon, dass Spiele, die sich ausschließlich oder zumindest primär über Mikrotransaktionen finanzieren, die schlechteren Spiele sind. Denn ein Spiel, das davon lebt am laufenden Band kleine Pakete an den Nutzer verkaufen zu müssen, um profitabel zu bleiben, muss diese Anreize im Spielverlauf auch schaffen. Ausgiebige Inhalte treten damit in den Hintergrund und wir müssen schwer damit rechnen, dass der Spielspaß durch solche Modelle getrübt wird, da der Fokus bei der Entwicklung einfach woanders liegen muss. Das ist meines Erachtens eine der großen Gefahren bei diesem und ähnlichen Spiel- bzw. Finanzierungsmodellen.
So, langsam muss ich die Kurve kriegen und wir kommen zu meinem persönlichen Fazit. Wie in meinen anderen Reviews werde ich auch Mario Kart Tour in eine der folgenden vier Kategorien stecken:
> Das war Zeitverschwendung. Finger weg!
> Das war nett. Kann man machen.
> Das war toll. Sehr empfehlenswert!
> Das war der Hammer! Das müsst ihr erleben!
Und Mario Kart Tour bekommt von mir ein, sehr wohlwollend gemeintes: Das war nett. Kann man machen.
Mario Kart Tour hat mich wirklich positiv überrascht, mir überraschend viel Spaß bereitet und ist als “Free to Play”-Titel für zwischendurch eine sympathische Möglichkeit Wartezeiten zu überbrücken. Das Finanzierungssystem des Titels halte ich allerdings für schwer bedenklich, insbesondere, da es sich hier um eine Marke meines liebgewonnenen Entwicklers Nintendo handelt, von dem ich so etwas auch einfach nicht gewöhnt bin. Deshalb kann ich abschließend dazu nur sagen: Das ist #NichtMeinNintendo
Ich kann euch sagen, das war ein relativ anstrengendes Review. Ich möchte ja eigentlich viel lieber über schön Dinge reden. Aber manchmal muss es einfach raus und das war so ein Fall. Und gibt es eine Möglichkeit euch jetzt irgendwie mit einem schönen Gedanken in den Tag zu entlassen? Hm, wie wäre es mit einem Witz? Ein Mario-Witz? Okay, hier habe ich einen:
Welche Lebensweisheit gibt Mario seinem Bruder Luigi mit?
Was dich nicht umbringt, macht dich kleiner.
Naja…
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Für heute war es das Danke und bis bald, euer Aleo.